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zeit keine wesentliche Veränderung erfuhren 2810); in nachconstantinischer Zeit aber ist von Catapulten nicht mehr die Rede, sondern man bedient sich zweier Geschütze neuer Benennung, der Ballista und des Onager, über deren Construction man in Ermangelung einer Beschreibung von der Hand eines Sachkundigen indessen sehr verschieden urtheilt. Die ballista, welche Pfeile schiesst, und durch Schrauben hoch oder niedrig gerichtet wird, halten Rüstow und Köchly für eine neue Erfindung, und stellen sie als eine grosse Armbrust mit eisernem elastischem Bogen dar; ich bezweifle die Richtigkeit dieser Vorstellung, da Vegetius 11) ausdrücklich sagt, dass die ballista nicht einen Bogen, sondern zwei Bogenarme, und die Torsionselasticität der Spannnerven hat, weshalb ich sie für im Wesentlichen identisch mit der alten Catapulte und für keine neue Erfindung ansehe 12). Dagegen ist eine

2810) Vitruv. X, 10—12 (15-18) bezieht sich allein auf diese Geschütze, indem er, ohne sie näher zu beschreiben, nur die Mafsverhältnisse ihrer Theile angiebt, und bei keinem Schriftsteller findet sich eine Andeutung, die auf Neuerungen in dieser Hinsicht schliessen liesse. S. Köchly und Rüstow, Griech. Kriegsschriftsteller I, S. 190. und die Erklärung der Stelle des Vitruv daselbst S. 356 ff.

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11) Veget. IV, 22. Ballista funibus nervinis tenditur, quae, quanto prolixiora brachiola habuerit, tanto spicula longius mittit, quae si iuxta artem mechanicam temperetur et ab exercitatis hominibus, qui mensuram eius collegerint (d. h. die das Kaliber richtig bestimmen), penetrat, quodcunque percusserit. Und nochmals IV, 9. Onagri vel ballistae nisi funibus nervinis intentae nihil prosunt, wo nur von den Spannnerven, nicht etwa von der Bogensehne die Rede sein kann, da der Onager keine Bogensehne hat. Ebenso Isidor. Orig. XVIII, 10, 2. Balista genus tormenti, ab emittendo iacula dicta. Torquetur enim verbere

nervorum.

12) Ausser den beiden, von Köchly und Rüstow, Griech. Kriegsschriftsteller I, S. 406 ff. erläuterten, gleich anzuführenden Beschreibungen giebt es noch eine dritte, dort unbeachtet gelassene, bei Procop. B. Goth. I, 21. Von einer Bogenform ist zwar auch in dieser die Rede, aber es fragt sich, ob dadurch nicht etwa nur die zweiarmige Catapulte bezeichnet wird, im Gegensatz zu dem einarmigen Onager. Die Worte sind: Beloάpios de μηχανὰς ἐς τοὺς πύργους ἐτίθετο, ἃς καλοῦσι βαλίστρας. τόξου δὲ σχῆμα ἔχουσιν αὗται, ἔνερθεν δὲ αὐτοῦ κοίλη τις κεραία προὔχει, αὐτὴ μὲν χαλαρὰ ἠρτημένη, σιδηρᾷ δὲ εὐθείᾳ τινὶ ἐπικειμένη (es ragt der bewegliche, los auf der eisernen Pfeilbahn aufliegende Läufer vorn heraus). Eñɛiðàv οὖν τοὺς πολεμίους ἐνθένδε βάλλειν ἐθέλουσιν ἄνθρωποι, βρόχου βραχέος ἐνέρσει τὰ ξύλα ἐς ἄλληλα νεύειν ποιοῦσι, ἃ δὴ τοῦ τόξου ἄκρα ovμßaivsi sivai. Hier ist von einem eisernen Bogen nicht die Rede, sondern von Hölzern, die die Bogenarme bilden. Sollte die Poórov Beαxéos veqois, das Einthun einer straffen Schlinge nicht das Einziehen der Spannnerven bedeuten? Zuletzt wird der Pfeil aufgelegt, der Läufer durch Winden angezogen, und die Sehne schnellt von selbst ab. Etwas deutlicher ist diese Beschreibung jedenfalls als die bei Ammian. Marc. XXIII, 4. bali

eigenthümlich construirte Maschine der onager, in dieser späten Zeit auch scorpio genannt 2813), eine einarmige Catapulte 14), welche Steine 15) in folgender Weise schleudert:

stae figura docebitur prima. Ferrum inter axiculos duos firmum compaginatur et vastum, in modum regulae maioris extentum, cuius ex volumine tereti, quod in medio ars polita componit, quadratus eminet stilus extentius, recto canalis angusti meatu cavatus, et hac multiplice chorda nervorum tortilium illigatus. (Köchly illigatum, ich zweifle ob mit Recht, und halte für den Sinn: die Pfeilbahn mit dem Läufer geht zwischen den beiden Spannnerven mitten durch.) eique cochleae duae ligneae coniunguntur aptissime, quarum prope unam adsistit artifex contemplabilis et subtiliter adponit in temonis cavamine sagittam ligneam spiculo maiore conglutinatam; hocque facto hinc inde validi iuvenes versant agiliter rotabilem flexum (die Winde). Cum ad extremitatem nervorum acumen venerit summum (wenn der Läufer soweit zurückgezogen ist, dass seine früher vorragende Spitze nun mit den Spannnerven in einer Linie liegt), percita interno pulsu a balista ex oculis avolat. In der dritten Beschreibung, welche sich in der, der Notitia dignitatum angehängten Abhandlung de rebus bellicis VIII, 10 findet (s. Böcking, Ueber die Not. Dign. Bonn 1834 S. 26 ff.), ist nun allerdings von einem eisernen Bogen die Rede, und zwar bei der sogenannten ballista fulminalis: Huiusmodi balistae genus murali defensioni necessarium supra caeteras impetu et viribus praevalere usu compertum est. Arcu enim ferreo supra canalem, quo sagitta exprimitur, erecto validus nervi funis ferreo unco tractus eandem sagittam magnis viribus in hostem dimissus impellit. Hunc tamen funem nun manibus neque viribus militum trahi fabricae ipsius magnitudo permittit, sed retro duabus rotis viri singuli radiorum nisibus adnitentes funem retrorsum tendunt pro difficultate rei viribus machinis acquisitis. Balistam tamen ipsam ad dirigenda seu altius seu humilius tela cochleae machina, prout vocet utilitas, nunc erigit nunc deponit. Wenn hier unter arcus ein wirklicher Bogen zu verstehen ist, und der Verfasser, der sich ganz an das äusserlich Sichtbare hält, nicht etwa einen eisernen Reifen meint, der die Theile der Maschine zusammenhält, so ist die Blitzballiste allerdings von den alten Catapulten gänzlich verschieden.

13) Ammian. Marc. XXIII, 4, der ihn genau beschreibt. Zweifelhaft ist es, ob bereits Tertullian. contra Gnosticos scorpiace c. 1 diesen scorpio meint, da er ihn tela schiessen lässt: Unde et bellicam machinam retractu tela vegetantem de scorpio nominant.

14) Lydus de mag. I, 46. καταπέλτης δέ ἐστιν εἶδος ἑλεπόλεως· καλεῖται δὲ τῷ πλήθει ὄναγρος.

15) Veget. IV, 22. Ammian. 1. 1. Procop. B. Goth. I, 21.

In dem aus zwei starken, unter sich verbundenen, parallelen Hölzern bestehenden Spannkasten des Onager sind die nervi horizontal, nicht wie bei den früher beschriebenen Geschützen vertical gezogen. Zwischen dieselben wird ein hölzerner Arm gesteckt, der, wenn er in Ruhe ist, vertical emporsteht, und an dessen oberem Ende eine Schleuder befestigt ist. Dieser Arm wird vermittelst einer Winde zurückgezogen, bis er fast horizontal liegt, die Schleuder mit einem Stein geladen, und dann der Haken, an welchem der Arm zurückgezogen wird, durch einen Hammer ausgeschlagen. In Folge dessen schnellt der Arm empor, und wirft, an einen vor der Maschine angebrachten 2816), aus Rasen oder einer mit weicher Fütterung belegten Mauer bestehenden Widerstand anschlagend, den Stein aus der Schleuder. Der Onager ist sonach ebenso der Stockschleuder (fundibalus) nachgebildet 17), wie die Catapulte der Armbrust.

Regelmässig machte man von dem schweren Geschütze nur im Belagerungskriege Gebrauch 18); in der Schlacht wendete man es nur an, wenn man in fester Position stand 19). Den einzelnen Legionen und andern Truppentheilen wurden, wie es scheint, erst in Vespasian's Zeit eigene Geschütze zugewiesen 20), und nach Vegetius hatte später, d. h. etwa seit Hadrian, jede Legion 55 Horizontalgeschütze, damals carroballistae genannt, also für jede Centurie eins, und 10 Wurfgeschütze (onagri), also für jede Cohorte eins 21). Die Carroballistae waren mit Maulthieren bespannt und hatten 11 Mann zur Bedienung. Das er

2816) In den Abbildungen bei und nach Folard und auch bei Köchly, Gr. Kriegsschr. Taf. VII Fig. 1 wird dieser Widerstand in Form eines starken, über dem Spannkasten angebrachten Querholzes dargestellt. Ammian sagt aber: cui ligno (dem Schleuderarme) fulmentum prosternitur ingens, cilicium paleis confertum minutis, validis nexibus illigatum et locatum super congestos caespites vel latericios aggeres, was ich nur so verstehen kann, dass der Arm an eine vor der Maschine befindliche, verticale, mit einer Matratze belegte Rasen- oder Ziegelwand anprallt.

17) Procop. B. G. I, 21. σφενδόναις δὲ αὗται (αἱ μηχαναί) εἰσιν ἐμφερεῖς καὶ ὄναγροι ἐπικαλοῦνται.

18) S. z. B. Hirt. B. Afr. 31.

19) Caes. B. G. II, 8. VIII, 14. B. C. III, 56. B. Afr. 31. 56.

20) Joseph. B. Jud. V, 6, 3. Ta c. H. III, 23. Dio Cass. LXV, 14. Auch die Praetorianer hatten eigne Geschütze. Einen librator einer praetorischen Cohorte s. Kellermann, Vig. n. 127.

21) Veget. II, 25.

wähnte Verhältniss, wonach Wurfgeschütze in weit geringerer Anzahl als Horizontalgeschütze gebraucht werden, hat seinen Grund darin, dass Wurfgeschütze immer von grösserem Caliber und grösseren Dimensionen sind, und kommt daher auch in früherer Zeit vor. So waren z. B. in Neucarthago, als Scipio es belagerte, 120 grosse Catapulten und 23 grosse Ballisten2822), und die Juden hatten bei der Belagerung von Jerusalem unter Vespasian 300 Catapulten und 40 Ballisten 23).

2. Belagerungswerkzeuge. Die Eroberung einer Stadt oder eines festen Ortes kann entweder durch Einschliessung oder durch Angriff erfolgen. Im ersten Falle bedienten sich die Römer, wie die Griechen, der Circumvallation, d. h. der Einschliessung durch einfachen oder mehrfachen Wall und Graben, welche den Belagerten sowohl die Zufuhr abschnitt, als auch einen Entsatz oder einen heimlichen Abzug der Besatzung unmöglich machte. Das merkwürdigste Beispiel einer solchen giebt die Circumvallation von Alesia, welche Caesar B. G. VII, 69 ausführlich beschreibt 24). Im zweiten Falle bieten sich, insofern es nicht sofort gelingt, die Gräben mit Faschinen zu füllen 25) und die Mauern auf Leitern zu ersteigen 26), oder die Thore einzuschlagen, drei Mittel dar, um in die Stadt zu dringen; erstens die Eröffnung einer Bresche in der Mauer, zweitens die Anlage von Minen, entweder um die Mauer zu untergraben und zum Einsturz zu bringen, oder um unter der Mauer in die Stadt zu gelangen; drittens die Aufführung einer Erhöhung bis zur Krone der Stadtmauer. Zu den Breschinstrumenten gehört erstens der Widder, notós, aries, d. h. ein starker Balken mit eisenbeschlagenem Kopfe, den man in ältester Zeit durch Menschen, später auf Rädern an die Mauern führte 27), zuletzt aber in folgen

2822) Liv. XXVI, 47.

23) Joseph. B. Jud. V, 9, 2. Köchly, Gr. Kriegsschriftsteller I, S. 195. Vgl. Sisenna bei Nonius p. 380 G. praeterea catapultas sedecim, quatuor balistas.

24) Andre Beispiele s. bei Lipsius, Poliorc. lib. II, wo die Stelle des Caesar über Alesia ausführlich besprochen wird.

25) fossas aggere complere Caes. B. C. III, 63. V, 9. VII, 57. 85. 26) Vorschriften für ihre Construction giebt Polyb. IX, 19. Leo Tact. XV, 32. Beispiele von ihrer Anwendung s. Appian. de reb. His p. 22.

27) Vitruv. X, 13 (19) und mehr bei Rüstow S. 205.

der Art construirte. Ein grosser Mast, zuweilen aus mehreren Stücken zusammengesetzt, und 60-180 F. lang 2828), wird entweder an einem oder an mehreren Puncten an einem horizontalen Balken aufgehängt, der von zwei Seiten durch Streben getragen wird 29). Der Widder hängt also in einem Satteldache, das auch die Form eines Schuppens oder Hauses haben kann, und auf einem Roste steht, welcher auf Rädern bewegt wird. Das Dach, welches, wie alle Arten von Schutzdächern, testudo 30), in diesem speciellen Falle testudo arietaria 31), xevy xgógos 32) heisst, ist mit frischen Thierhäuten und andern nicht brennbaren Stoffen bekleidet, und dient zugleich zum Schutze der Mannschaft, welche, das hintere Ende des aries an Stricken zurückziehend, den Balken in Bewegung setzt.

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Einen ähnlichen Zweck und eine ähnliche Construction hatten die Mauersicheln, falces murales, mit welchen man Steine aus der Mauer zu reissen suchte, und welche, wie der Widder, an einem schwebenden Balken, wahrscheinlich von kleineren Dimensionen befestigt waren 34); ferner die Mauer

2828) Rüstow S. 309.

29) Joseph. B. J. III, 7, 19. καταιωρεῖται δὲ κάλοις μέσος, ὥσπερ ἀπὸ πλάστιγγος ἑτέρας δοκοῦ, σταυροῖς ἑκατέρωθεν ἑδραίοις ὑπεστης Qyμévns. Ammian. XXIII, 4. et sic suspensa utrimque transversis asseribus et ferratis, quasi ex lance, vinculis trabis alterius continetur. Lucan. III, 490. aries suspenso fortior ictu. Nach Procop. B. Goth. I, 21 besteht die Widderschildkröte aus 4 aufrecht stehenden Pfeilern, die unten und oben durch 4 Balken verbunden sind. Die Seitenwände sind von Leder; vom Dache sagt er nichts; das Häuschen hat 4 Räder und wird durch 50 Mann, die innerhalb stehen, fortgeschoben. Vgl. auch Isidor. Orig. XVIII, 11.

30) Veget. IV, 14.

31) Vitruv. X, 13 (19).

32) Appian. Mithr. 73.

33) Veget. IV, 14. Caes. B. G. III, 14. VII, 22. 86.

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