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Bedrückungen der weltlichen Oberkeit entgieng. Die Art und Weise dieser Veräusserung bestund in der Uebergabe ihrer Güter an einen Grafen oder ein Stift, von dem sie es hernach wieder als ein erbliches Lehngut unter der Verpflichtung zurückempfiengen, jährlich davon einen gewissen Zins zu entrichten. Man nannte solche Hintersäßen Hörige oder Zinsleute; aber in manchen Gegenden wurden sie bald nicht mehr von den Leibeigenen unterschieden. Nur der bei weitem geringere Theil des ursprünglich freien Volks erhielt seine Freiheit unabhängig von dem Einflusse der Macht der Großen im Reich; es waren die begütertsten Bürger des Landes, und es kam wohl auch dazu, daß sie sich ebenso ihres Reichthums bedienten, wie die Grafen und Klöster. Doch blieben sie im Ganzen immer ein achtbarer Stand, ein ehrwürdiger Uebers rest der altdeutschen Volksfreiheit!

In jener Veränderung liegen die Keime des Lehnwesens, wenn man dieselben nicht schon bei den alten Gefolgschaften suchen will, wo der Führer seine Gesellen mit Verleihung des eroberten Bodens belohnte. Bald durchdrang der Geist dieses Instituts alle Verhältnisse, und brachte in das Gemengsel derselben eine Einheit, die manches sowohl im öffentlichen als Privatleben beförderte, fo daß man dasselbe zulezt für eine Wohlthat der Zeit ansah. Gut, Ehre und Leben wurden lehnbar; das ächte Eigenthum verlor sich fortan mehr, und die Ehre, welche anfangs allein auf dem Grundeigenthum oder dem vollen Bürgerrecht beruht hatte, gieng jezt nach und nach auf den Dienst über. Hiedurch wurde der ganze Geist der deutschen Verfassung verändert. Schon nach jener Vereinigung der Allemannen mit der fränkischen Monarchie waren die Leute des Herzogs höher gestellt, als der gewöhnliche freie Bürger. Und nachdem im Heerbann die Hauptmannsstellen erblich geworden, nachdem überhaupt die reichen Grundbesizer Dienste oder Vasallen Verhältnisse bei den vornehmen Reichsbeamten und den großen Stiftern suchten, gieng der Begriff der alten Ehre noch vollends unter. Daher knüpfte jeder Geringere mit einem Angesehenern ein Lehnsverhältniß an, und endlich war vom obersten Reichshaupt bis herab zum schlechtesten Dienstmann alles in diese Norm gezwängt. Ein Erzeugniß aber des Lehns wesens war der Adel, den wir bald werden auftreten sehn.

Zehntes Kapitel.

Rückblick auf den bisherigen Gang der Geschichte.

Ursprünglich sind die jezt badischen Lande eine gallische Kolonie, alsdann eine Provinz der Römer, hierauf werden sie eine Eroberung der Allemannen, und durch diese endlich ein Bestandtheil des fränkischen Reichs. Dies ist der Gang ihrer bisherigen Schicksale. Also bestehen unsre Vorältern aus Sprößlingen ganz vers schiedener Völker, aus Galliern, Römern, Schwaben und Franken; der Charakter dieser Mischung hat sich auch bis auf den heutigen Lag erhalten. Unsere Geschichte aber beginnt eigentlich mit der Besiznahme des Zehntlands durch die Allemannen, denn hiedurch gieng das frühere Leben größtentheils unter; hingegen blieb das allemannische Gesez, es blieben die allemannische Sprache und Sitte, mit dem freiwillig aufgenommenen Christenthum, die Grundlage aller folgenden Entwicklungen durch die langen Jahrhunderte bis auf uns herab.

Als die Allemannen zum erstenmal den römischen Boden betraten, lebten sie noch ganz in ihrer altdeutschen Reinheit, die uns ein großer Römer mit so blendenden Farben geschildert hat. Der Umgang mit den Römern machte sie gewandter, planmäßiger, begierlicher; aber besser nicht. Durch die Kenntniß vieler fremden Genüsse, durch die ewigen Kriege, wurden sie ausschweifend und roh; durch ihre endlichen Siege übermüthig und träg. Das hierauf folgende Christenthum hat im Anfange weder ihren Geist aufgeklärter, noch ihre Sitten strenger gemacht; im Gegentheil, sie wurden abergläubischer, härter, versteckter. Und doch, wo war ein tüchtigeres Volk? Ihren uralten Ruhm haben sie auch unter allen Veränderungen, welche Zeit und Verhältnisse erzeugten, nie ganz verloren. Waren sie nicht stets offenherziger, einfacher und biederer in ihren Handlungen, als die Franken? Bis auf diesen Lag hat sich der Unterschied beider Stämme erhalten; in den römischen Schriftstellern liest man von schwäbischer Treue

Bad. Landesgeschichte.

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und fränkischer Hinterlist. Viele deutsche Völker sahen wir gegen ihre Brüder im Kampf; wo haben allemannische Waffen gegen Allemannen gestritten? Welcher Stamm erlitt so vieles Ungemach und stund allzeit so kräftig wieder da? Sie bewohnten ein kleines Land, und erfüllten Jahrhunderte lang die Welt mit ihrem Namen. In billiger Anerkennung dieses Ruhms schreibt ein nordischer Deutscher: Sobald dir Allemannen im dritten Jahrhundert unsre Aufmerksamkeit erregen, stehen sie schon schlagfertig auf feindlichem Gebiet und hatten schon den Landhag durchbrochen. Dort behaupteten sie nicht nur mit mehr oder weniger Glückt ihre Unabhängigkeit und ihre erweiterten Grenzmarken durch Verträge und Friedensschlüsse, sondern sie bedrohten unaufhörlich Rhätien, jenes große römische Bollwerk, ja Italien selbst, und kämpften um Helvetien und Vindelizien, um Elsaß und Lothringen, in großen und blu tigen Schlachten; die Orte dieser Schlachten zeigen deutlich ihre Plane und ihre Macht. Cäsars Kriege gegen Heerfest machen gleichsam den Anfang. Drusus, Liberius, Trajan erweiterten dort ansehnlich oder befestigten das römische Gebiet, so bedrohlich für die deutsche Sitte und Unabhängigkeit! Jener große markmannische Krieg Antonins wurde an der Donau und auch von den Sueven geführt. Auf ihrem Boden lieferte Kaiser Marimin ein mörderisches Treffen, und kaum ein Jahrzehent nach ihm stehen die Allemannen mitten in Italien und bedrohen sogar Rom. Und abermals nach kurzem Zwischenraum liefern sie dem tapfern Aurelian dort so hartnäckige Treffen. Probus wußte sie im Zaum zu halten, aber mit welchem Menschenverlust! Ueber gewonnene Schlachten und Vortheile der Allemannen gleiten die Römer hinweg, und wie ruhmredig verweilen sie dabei, wenn Julian bei Straßburg, und Gratian bei Argen ihre Siege erkämpfen! Die Allemannen blieben der Kern der Einwohnerschaft in Schwaben, im Elsaß und in der Schweiz. Und wenn wir uns schon Deutsche nennen, so thun doch die Franzosen nicht übel, Allemagne, und Allemand zu sagen, wodurch sie theils die Gesammtheit ausdrücken, theils die alten und tüchtigsten Nebenbuhler der Franken. Allerdings waren diese Allemannen damals Gebirgsvölker, und als solche sprach sie die Viehzucht mehr an, als der Ackerbau. Aber dieser Sitte des Gebirgs verdankten sie auch die

Aufbewahrung der Freiheitsfunken, die wir oft wieder auflodern sehen. Und troz andern haben sie sehr bald diese Gegenden kultivirt, verschönert und mannhaft vertheidigt; in allem, was in Europa Großes geschah, hielten sie gleichen Schritt, und überboten oft. Denn aus ihrem Schoose ist das große Haus der Hohenstaufen, aus ihrem Schoose das große Haus der Habs, burger und Zähringer hervorgegangen, und was sind jene trefflichen Geschichten schweizerischer Eidgenossenschaft in ihren edelsten Zügen anders, als die Geschichte der Allemannen?“

Man hat von dem Siege Klodwigs bei Zülpich eine Unters werfung des allemannischen Volks unter die fränkische Herrschaft hergeleitet. Wo aber ist hievon in der Geschichte eine Spur? Niemals wurde das Land zwischen dem Rhein, der Donau und dem Main durch feindliche Waffen unterjocht; nur vertragsgemäß erkannten die Allemannen die Obergewalt der Nachkommenschaft König Merowigs.

Hierauf erschien die christliche Religion. Die Franken erhielten dieselbe durch den Hof und von den verdorbenen Galliern; über den Rhein kam sie langsam, aber durch fromme, begeisterte, weise Männer, deren Wandel die Lugenden darstellte, welche sie lehrs ten. In den Legenden von Friedolin, Kolumban, Gallus, von Landolin, Trutbert und Pirmin mag manches erdichtet, und manches Wahre zu hoch gestellt seyn; gleichwohl, wer den Eifer betrachtet, womit die gepriesenen Glaubenshelden unter hundertfacher Gefahr, Entbehrung und Mühseligkeit, in fremden, oft unwirthbaren Gegenden das Evangelium in die heidnischen Gemüther verpflanzten, kann ihnen seine Bewunderung nicht versagen! Sichtbar leitete sie ein höherer Geist; derselbe innere, auf selbstsüchtige Interessen rücksichtslose Drang, den wir in unserer trockenen Weisheit mit dem zweideutigen Namen der Schwärmerei belegen. Als der heilige Gall mehrere vom Herzog Gunzo empfangenen Geschenke an die Armen vertheilte, und den Magnold ein silbernes Gefäß von eingegrabener Arbeit zurücklegen sah, sagte er zu ihm:,,Mein Sohn, gedenke des Wortes Petri: Gold und Silber haben wir feines." Und als Einige den heiligen Bonifazius gegen die Friesen vertheidigen wollten, rief er denselben zu: „Liebe Kins

der! vergeltet nicht Böses mit Bösem, erwiedert es nach dem Worte der Schrift, mit Milde.“

Um so tiefere Wurzeln faßte aber auch später das Christenthum bei uns, wo so lang die väterlichen Götter nicht konnten vergessen werden; Schwaben nannte man bald nur das Land der Heiligen, und das Volk erwies die Strenge seines Glaubens insonderheit dadurch, daß es alle Denkmale, die aus der vorchristlichen Zeit herstammten, als heidnisch oder teuflisch verabscheute. Die Trümmer der römischen Gebäude erhielten allenthalben die Namen Heidenschloß, Heidenloch, Leufelsmauer, und die Grabhügel der gallischen Ansiedler Hünen oder Heidengräber. Die Lage der jezt badischen Lande brachte es mit sich, daß sie sowohl die ersten als zahlreichsten Klöster und Kirchen in Deutschland erhielten. Säckingen, Offonszell oder Schuttern, Mönchzell oder Ettenheimmünster, Gengenbach, Sankt Trutbert, Arnulfsau oder Schwarzach, Reichenau, Ueberlingen, Baden, Röteln, Abrisberg, Hohenau und Bischofsheim, reichen in die älteste Zeit des deutschen Christenthums hinauf, und sind für den engen Raum ihrer Entfernung eine auffallende Erscheinung. Auch wurde in furzer Zeit Reichenau ein Muster für geistliche Stiftungen, ein Siz der Wissenschaft und Kunst, eine Heimath vieler frommen, gelehrten, verdienstvollen Männer!

Nachdem sich die fränkischen Hausmeier die oberste Gewalt im Reiche angemast, erhob sich jener halbhundertjährige Kampf der schwäbischen Herzoge wider diese Usurpation; die Allemannen hatten mit den merovingischen Fürsten den Vertrag ihrer Vereinigung geschlossen; als ein neues Geschlecht sich auf den frånkischen Thron drängte, mochte er für erloschen betrachtet werden. Aber die Gewalt behielt Recht, und es erfolgte die Auflösung des Herzogthums. Man kann die Folgen hievon nicht berechnen. Hätte in den schlechten Zeiten der Nachfolger Karls des Großen ein Herzog über Schwaben bestanden, wie würde sich alles anders gestaltet haben, und was wären wir vielleicht jezo! Jedoch billig kam die königliche Würde an ein Geschlecht, welches die Kraft besaß, sie zu behaupten. Wir haben die Schwäche der Merovinger gesehen und die Verdorbenheit ihres Hofs. Was würde aus dem Reich geworden seyn ohne den Arm und Geist der Pipine? Schon

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