Page images
PDF
EPUB

CAP. XXII. HIMMEL UND GESTIRNE.

Vielseitig greifen die erscheinungen des himmels in den heidnischen glauben ein: nicht nur ist die wohnung der götter und der ihnen näher stehenden geister im himmel, und sie vermengen sich mit den sternen, sondern auch irdische wesen, nach ihrer auflösung, werden dahin erhoben, ausgezeichnete helden und riesen leuchten als gestirne. vom himmel steigen die götter herab zur erde nieder, am himmel fahren sie her, und durch den himmel beschauen sie unsichtbar das treiben der menschen. Wie sich alle pflanzen nach dem himmlischen licht kehren, alle seelen zum himmel wenden, so steigt der rauch des opfers und das gebet der menschen in die höhe.

Der himmel deckt die erde und das wort stammt aus der wurzel hima (tego, involvo, vestio gramm. 2, 55) *). den Gothen und alten Nordländern ist die form himins, himinn, allen übrigen Deutschen himil gemein; schwed. dän. wieder himmel. eigenthümlich dem sächsischen volk sind daneben zwei andere ausdrücke, alts. hëbhan, hëvan, ags. hëofon, engl. heaven, noch jetzt in Niedersachsen und Westfalen heben, heven, häven, häwen. ich habe die grenze zu ermitteln gesucht, bis zu welcher sich diese benennung erstreckt (gramm. 1, xiv). unter den Friesen war sie nicht gangbar, denn noch die heutige west und nordfriesische volkssprache kennt nur himmel **). auch die niederländische mundart hat sie nicht; sie findet sich aber in Westfalen, Niedersachsen, bis nach Holstein und über die Elbe hinaus in Meklenburg und Pommern. Den Angelsachsen und heutigen Engländern mangelt sogar der ausdruck himel völlig; die Altsachsen gleich den jetzigen Niedersachsen und Westfalen verwenden himil und hëvan abwechselnd, wie es scheint so, dass hëvan mehr den sichtbaren, himil den übersinnlichen himmel bezeichnet. Albr. von Halberst. (ed. 1545, 145b) braucht heben (:nëben) für den ort. Reinolt von der Lippe häuft beide wörter: 'himel und hëben von vreuden muz irkrachen.' man sagt: 'de heven steit nümmer to', 'wenn de heven fallt, liggwi der all unner', 'de sterren an dem häven', in Westfalen bedeutet

*) litth. dangus (coelum) dengiu (tego). ahd. himilezi laquear. **) himel, lapekoer fen Gabe scroar. Dimter 1834 p. 101. 103. hemmel, Hansens geizhals. Sonderburg 1833 p. 148. himel, friesche wetten 348. himul, As. 274.

'hebenscheer' umzognen himmel ohne regen, ja heben drückt wolke aus *). bei hävenhüne (s. 142), bei kukuk vam häven (s. 641) herscht der sinnliche begrif, dagegen würde man kaum anders sagen als: 'in den himel komen', oder himelik. Diese unterscheidung mag sich gleichwol erst später festgesetzt haben, und wie das ags. hëofon ganz abstract steht, wechselt auch der dichter des Hel. ab zwischen himilriki 149, 8 und hëbanriki 143, 24, himilfader 145, 12 und hëbancuning 143, 20. himil hat auch ursprünglich, und überall im hochd., zugleich die sinnliche bedeutung, daher úphimil Hel. 88, 15, wie upheofon Cædm. 270, 24. wurzel von hëbhan, hevan, hëofon scheint ein verlornes goth. hiba, haf, das ich dem lat. capio vergleiche, also: der fassende, allumfassende himmel, altn. vidfedmir, der weitumfahende **).

Ein andrer sächs. ausdruck läfst sich dem begrif des gr. alone an die seite setzen, während himil und hëvan dem ovgavós entsprechen: alts. radur, ags. rodor. Cædm. bietet dar rodor 183, 19. 207, 8. uprodor 179, 10. 182, 15. 205, 2; rodortungol 100, 21. rodorbeorht 239, 10. In den späteren dialecten fehlt dieses wort, dessen wurzel (RAD) noch im dunkel liegt, völlig. ich möchte altn. röðull (sol) hinzuhalten, das nichts mit raudr (ruber) zu thun hat. Daraus dafs bei ags. dichtern gleichbedeutig gesagt werden kann vuldres gim und heofones gim (Beov. 4142. Andr. 1269), heofonbeorht, rodorbeorht, vuldorbeorht, heofontorht, svegltorht, vuldortorht wäre fast für vuldor die ursprüngliche bedeutung coelum zu folgern, was auch den ahd. eigennamen Woldarhilt beleuchtet; ebenso für svegel (aether, coelum), vgl. svegles begong Beov. 1713. under svegle (sub coelo) Beov. 2149. sveglrâd (coeli currus) cod. exon. 355, 47; alts. suigli.

Hervorzuheben ist das ags. sceldbyrig Cædm. 283, 23, das man nicht refugium oder sheltering city übersetzen darf, es bedeutet schildburg, aula clypeis tecta, und ist ein entschlüpfender heidnischer ausdruck, wie in der edda

*) sanskr. nabas, slav. nebo (coelum) gr. végos, lat. nubes, nebula; ir. neamh, welsch nêv, armor. nef. lett. debbes (coelum) debbefs (nubes). litth. dangus, von dengiu tego.

**) himmelberge sind hohe, in die wolken reichende, oft als eigennamen: himinfiöll Sæm. 148a Yngl. saga cap. 39; Himinbiörg Sæm. 41b 92b ein göttlicher wohnsitz; Himilinberg (mons coelius), auf dem geister hausen (Pertz 2, 10); Himilesberg in Hessen (Kuchenbecker anal. 11, 137); Himmelsberg in Vestgötland und (angeblich der heimdalische) in Halland. Himelbere frauendienst 199, 10.

Valhöll skiöldum þökt, lagt gyltum skiöldum, svâ sem spånpak' heifst (Sn. 2), mit goldnen schilden, wie mit schindeln gedeckt.

Eddische benennungen Sæm. 49b Sn. 177; alle männlich, einige unverkennbar auf personification gegründet. der himmel wird als mann, die weibliche erde umfassend, gedacht; in die reihe der götter ist er aber, gleich Ovpavós, nicht aufgenommen, während die Erde unter den göttinnen steht. himmel bezeichnet uns den blofsen raum und aufenthalt der götter. Auf jenes räthselhafte wesen Mimir (s. 352) bezüglich sind zwei dichterische namen des himmels hreggmimir (der regengiefsende, von hregg imber) und vetmimir (der anfeuchtende? vgl. væta humor).

[ocr errors]

Für den begrif des gestirns (sidus) ist unserer älteren sprache, aufser stairnô, stërno, stëorra, stiarna (gramm. 3, 392) und ahd. himilzeichan (hymn. 4, 2), der sinnliche ausdruck ahd. himilzungâ Diut. 1, 526b gl. Doc. 249. alts. himiltungal Hel. 18, 2, ags. heofontungol, rodortungol, altn. himintungl eigen. ags. steht auch das einfache tungol mit gleichem sinn, und ebenso bietet eine goth. glosse zu Gal. 4, 3 tuggl astrum; altn. bezeichnet tûngl den mond. dies neutr. tungal, tungol, tùngl ist von tunga (lingua) abzuleiten, wie das unabgeleitete ahd. himilzungâ (Graff 5, 682) zeigt: der mond und einige planeten in ihrer theilweisen erleuchtung erscheinen sichel, oder zungförmig und wol mag dabei eine cosmogonische vorstellung *) obwalten; ich kenne aus andern sprachen nichts ähnliches.

Allen gestirnen werden bestimmte stätten, plätze und stüle beigelegt, auf denen sie sitz und wohnung nehmen; sie haben ihr gestell und gerüste (sterrôno girusti O. I. 17, 10). zumal gilt das von der sonne, die jeden tag zu ihrem sitz, oder sessel niedergeht (s. cap. XXIII), aber auch den übrigen sternen.wird ein solcher stul (Km. 25) und sedelgang zugeschrieben. N. Bth. 210. 223 sagt, dafs Bootes 'trâgo ze sedele gange' und 'tiu zeichen negânt nicht in sedeľ. Da die begriffe stul und tisch sich verknüpfen, könnten auch den sternen tische zustehn, oder sie, was dasselbe ist, für tische des himmels angesehn werden, wobei ich nicht an den ägyptischen sonnentisch, sondern näher an das 'biodum yppa', sidera extollere der Völuspá (Sæm. 1) denke, die schaffenden Börs synir richteten

*) eine versetzung der zunge an himmel; oder ist das glimmern, die zuckende bewegung der gestirne gleichsam ein züngeln? dazu stimmt nicht das ruhige mondlicht, noch die ahd. form ohne L.

gleichsam die tische des firmaments auf, biodr ist das goth. biuds, ahd. piot (oben s. 34. 59). Einzelne sterne sind am himmel gehende wagen, und voraus die sonne hat, gleich andern gottheiten, ihren wagen.

Die beiden hauptsterne sind sonne und mond, über deren geschlecht und benennung ich mich gramm. 3, 349. 350 geäufsert habe, die sonne, als das gröfsere gestirn, heifst einem mhd. dichter 'daz mérere liehť (fundgr. 2, 12). Es ist der anführung werth, dafs unter den eddischen namen des mondes einige noch in oberdeutschen volksmundarten fortleben. die zwerge heifsen den mond skin (jubar), nicht anders die östlichen Franken schein (Reinwald henneb. id. 2, 159) *). in der unterwelt führt der mond den namen hverfandi hvel, drehendes rad, in Steiermark (zumal dem Brucker kreis) gmoarat (Sartori Steiermark p. 82), wenn ich dies rota communis übersetzen darf; es könnte auch gemeiner, allen menschen zustehender rath, d. i. vorrath ausdrücken? dafs man die sonne einem feuerrad verglich und das ihr entflammende element in gestalt eines rades darstellte, ist s. 586. 587 ausgeführt. in der edda heifst die sonne ausdrücklich fagrahvel (das schöne, lichte rad) Sæm. 50a Sn. 177. 223. die nord. rune für S wird sôl, die ags. ahd. sigil, sugil benannt, wofür ich (zu Andr. s. 96) segil, sagil, sahil mutmafse und. nun auch das goth. sáuil, griech. λos vergleichen darf. aber der das sonnenzeichen führende goth. buchstab HV seigt offenbar die gestalt des rades, welchem die gleichanlautende goth. benennung hvil = ags. hveol, altn. hvël zugetraut werden mufs; aus hvel entwickelte sich das isl. hiol, schwed. dän. hjul, altschwed. hiughl, aus ags. hveol, hveohl das engl. wheel, nnl. wiel und mit übergang in den labiailaut das fries. fial (Richth. 737). bei so vielfältigen abweichungen wagt man schon, das altn. jol, schwed. dän. jul, die benennung der wintersonnenwende heranzuziehen und auch ihr den begrif des rades zu eignen; die trennung beider formen müste aber sehr alt sein, falls der goth. monatsname jiuleis = november verwandt wäre **). hvel und hveol

*) gerade so neugriech. syyάqı (glanz), welches ausdrucks auffallende einstimmung zum altn. fengari (Sn. 177) ich sonst schon angemerkt habe.

**) das nord. H. fällt im anlaut zuweilen ab, wie man gerade für das lallen der kinder isl. hiula und jula braucht. wirklich zeigt uns der saterländischfries. dialect jule, jole (rota).

scheinen einer wurzel mit goth. hveila, ahd. huila, der sich drehenden zeit (vgl. goth. hveilahvaírbs, ahd. huilhuerbic, volubilis).

Auch einer andern sinnlichen vergleichung der sonne. scheint hohes alter zuzustehn, sie galt dem kriegerischen sinn der vorzeit für einen runden, leuchtenden schild, und wir sahen vorhin (s. 662) dafs der himmel selbst eine schildburg bildete. Notker, der Cap. 71 in seinem text die worte vorfand: sinistra clypeum coruscantem praeferebat (Apollo) verdeutscht: 'an dero winsterûn truog er einen rôten skilt' und fügt dann die eigne bemerkung hinzu: 'wanda selbiu diu sunna einemo skilte gelih ist'. in dem deutschen recht und der deutschen poesie blinken die rothen schilde. aber noch Opitz 2, 286 nennt die sonne 'den schönen himmelsschild'.

Unter allen die älteste und verbreiteteste vorstellung, welche man mit der sonne und den übrigen gestirnen verband, mag gleichwol die des auges gewesen sein. die cosmogonien der vorzeit liefsen sie aus augen erschaffen werden. Den Parsen war die sonne auge des Ahurômazdâo (Ormuzd), den Aegyptiern rechtes auge des demiurgen, den Griechen auge des Zeus, unsern vorfahren auge Wuotans, und nach einer fabel der edda muste Odinn sein eines auge dem Mimir zu pfand setzen oder in dessen brunnen bergen und darum wird er einäugig dargestellt. mit diesem auge überschaut die gottheit die gesamte welt und nichts kann der spähenden verborgen blei ben, sie durchdringt alles *); alle gestirne blicken auf die menschen hernieder **). Die altn. dichter gestatten aber nicht nur sonne, mond und sterne augen des himmels, sondern auch, nach jener umdrehung des macrocosmus, das menschliche auge die sonne, den mond oder das gestirn des schädels, der stirne, brauen und wimpern zu nennen; ja das auge darf ein schild der stirne heifsen, was jenen namen der sonne bestätigt. die sonne ist den altn. dichtern 'gimsteinn himins' (gemma coeli) und ebenso den ags. 'heofones gim' Beov. 4142. 'vuldres gim' Andr. 1289.

*) wenn Il. 14, 344 gesagt wird:

οὐδ ̓ ἂν νῶν διαδράκοι Ηέλιος περ,

ούτε καὶ ὀξύτατον πέλεται φάος εἰςοράασθαι, so gleicht das dem liede Wolframs 8, 28:

obe der sunnen dri mit blicke wæren
sin möhten zwischen si geliuhten.

**) πρέσβιστον ἄστρων νυκτὸς ὀφθαλμός. Aesch. sept. c. Th. 390

« PreviousContinue »