wörter und sprichwörtlichen Redensarten der alten Römer gesäubert und entlastet von den in den vorhandenen Sammlungen ihnen beigemischten biblischen, mittelalterlichen oder gar modernen Sprüchen und Sentenzen zu vereinigen, ist nun in dem vorliegenden Buche versucht worden. Dabei mufste, sollten die einzelnen Sprichwörter nicht in der Luft schweben, sowohl auf die etwaigen früheren Quellen und Parallelen, als auch auf das Fortleben derselben in den modernen romanischen und germanischen Sprachen Rücksicht genommen werden, doch war in dieser Hinsicht, wenn nicht der Umfang des Ganzen zu sehr anschwellen sollte, Beschränkung und Kürze geboten. Es wird daher aufser auf die bekannten Werke von C. F. W. Wander und W. Körte (Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Deutschen. 2. Aufl. Leipzig 1861) vorzugsweise verwiesen auf die 'Sprichwörter der germanischen und romanischen Sprachen' von Ida v. Düringsfeld und Otto Freiherrn v. Reinsberg-Düringsfeld (Leipzig 1872/75) und bezüglich der sprichwörtlichen Redensarten auf W. Borchardt, die sprichwörtlichen Redensarten im deutschen Volksmund (Leipzig 1888). Ebenso musste ich mir bei Anführung der griechischen Vorbilder mit dem Hinweis auf gewisse Hauptstellen und, solange das von O. Crusius vorbereitete Corpus paroemiographorum noch aussteht, auf die Bearbeitung der griechischen Parömiographen durch von Leutsch und Schneidewin (Göttingen 1839/51) genügen lassen. Wenn somit nach dieser Seite hin Vollständigkeit der Citate nicht in dem Plane dieses Buches lag, so hat dieselbe allerdings als Endziel vorgeschwebt bei der Sammlung der lateinischen Sprichwörter und ich habe zu diesem Behufe seit Jahren die alten Autoren selbst gelesen und durchforscht, die bereits vorhandenen Schriften über diesen Gegenstand excerpiert und auch die wichtigsten Lexika und Kommentare durchgesehen. Sehr förderlich war mir ferner das reichhaltige Material, welches die Mitarbeiter des Archivs für lateinische Lexikographie und Grammatik zusammengebracht und welches Herr Prof. Dr. E. Wölfflin mir freundlichst zur Verfügung zu stellen die Gewogenheit hatte. Trotz dieser vielfachen Bemühungen bin ich mir wohl bewusst, dass absolute Vollständigkeit auch so noch nicht erreicht ist, und manche Einzelheit wird noch der Besserung bedürfen. Ist doch der Stoff so weit über die Noch seien mir ein paar Worte über Anlage und Inhalt des Zum Schlusse bleibt mir noch übrig, für die vielfache Bei- die Herren Prof. Dr. O. Crusius, Prof. Direktor Dr. C. F. W. Müller, Prof. Dr. C. Schenkl, Dr. Fisch. Besonderen Dank schulde ich meinem lieben Freunde Herrn Prof. Dr. G. Wissowa in Marburg, welcher zugleich die Freundlichkeit hatte, eine Korrektur zu lesen und mir bei dieser Gelegenheit manchen vortrefflichen Wink zukommen liefs. Bei der Korrektur der Druckbogen hat mich auch Herr Dr. Klimek bereitwilligst unterstützt. Ihnen allen sei hiermit nochmals der aufrichtigste Dank ausgesprochen. Breslau, im Juni 1890. A. Otto. Einleitung. Wenn es trotz vielfacher Versuche in alter und neuer Zeit noch nicht gelungen ist, eine durchweg befriedigende und allgemein anerkannte Definition des Begriffes 'Sprichwort' zu finden, so liegt der Grund hierfür vor allem in dem Wesen der Sache selbst, denn die Grenzen verschwimmen im lebendigen Sprachgebrauch bei allen Völkern und von der Bedeutung des Wortes im engsten Sinne bis zu der, welche es auf die Weisheitslehren Salomons oder auf die Lieblingsphrase einer einzelnen Persönlichkeit angewandt besitzt, ist ein weiter Weg. Überblickt man die ganze Masse dessen, was gelegentlich unter den Ausdruck 'Sprichwort' subsumiert wird, so läfst sich unschwer ein Unterschied zwischen einer engeren und einer weiteren Bedeutungssphäre unterscheiden. Das Sprichwort in engerem Sinne oder, wie man es auch nennen könnte, das eigentliche Sprichwort kennzeichnet neben der Verbreitung und Anerkennung im Volke die Vertretung und Übertragung eines allgemeinen Gedankens auf ein Besonderes, Partikulares, d. h. das Bildliche, Tropische und Allegorische im Ausdruck. Das Sprichwort', sagt Prantl in seiner viel zu wenig gewürdigten, tief eindringenden Abhandlung über die Philosophie in den Sprichwörtern' (München 1858) S. 11, führt dadurch in vollster Unmittelbarkeit das Ideale und Reale zusammen, dafs es wahrlich wie in einem Sprunge von einem schlechthin Partikularen sich auf die Allgemeinheit stürzt und während dieses Sprunges zugleich die sämtlichen analogen Einzelfälle mitumfafst. Hierher gehören also Sprichwörter wie 'Was ein Häkchen werden will, krümmt sich bei Zeiten', fällt keine Eiche von einem Streiche', 'Wer keinen Stuhl hat, mufs auf der Bank sitzen', und von römischen cocta numerabimus exta' (cum significet: ex eventu sciemus), gutta cavat lapidem', 'sine Cerere et Libero friget Venus' u. a. Diese Unmittelbarkeit des Allgemeinen, welche sprungweise in das Partikulare hineingreift, um Partikulares analog neben Partikulares hinzustellen' (Prantl a. a. O. S. 13), gilt aber bereits von der einfachsten, noch unvollkommenen Form des Sprichworts, der Es sprichwörtlichen Redensart. Die volkstümliche Sprache, welche zu solchen festgeprägten und bekannten Wendungen mit ganz besonderer Vorliebe greift, bekundet auch darin ihr eigentümliches, sinnliches Leben, dafs sie, um einen Gedanken nicht blofs dem abstrahierenden Verstande, sondern auch der anschauenden Phantasie entgegen zu bringen, instinktiv von demselben Mittel Gebrauch macht, wie es in bewufster Absicht die Poesie thut. Beide, das Sprichwort, wie die Dichter, knüpfen an die einzelne konkrete Erscheinung an, um an derselben das Allgemeine und Abstrakte zu verdeutlichen und zugleich zu beweisen. Dies geschieht entweder so, dafs das Partikulare nur neben das Allgemeine hingestellt wird, oder dafs beide geradezu mit einander identifiziert werden und eins für das andere eintritt. Auf diese Weise entsteht einmal der sprichwörtliche Vergleich und daneben die sprichwörtliche Metapher. Wenn kürzlich mit grofser Entschiedenheit in Abrede gestellt worden ist, dafs solche Vergleiche wie z. B. Croeso ditior, luce (sole) clarior, Aetna gravior, Penelopa castior, tamquam umbra prosequi, quasi per caliginem videre u, a. überhaupt noch als sprichwörtlich gelten dürften 1), wenn man behauptet hat, sie hätten nur insofern Bedeutung, als sie überraschende Blicke in das Leben und die Anschauungen der alten Völker eröffneten, so müssen wir dem entgegenhalten, dafs letzteres bei allen Sprichwörtern ohne Unterschied zutrifft, dafs aber die beiden Hauptmomente des Sprichwörtlichen im engeren Sinne, die Anwendung eines Partikularen auf ein Allgemeines und die Volkstümlichkeit auch im Vergleich bereits vorhanden sind. Wir halten uns also für berechtigt, den sprichwörtlichen Vergleich als die einfachste und ursprünglichste Form der sprichwörtlichen Redensart in Anspruch zu nehmen. Je umfassender und abstrakter nun ein Begriff ist, und je mehr Einzeldinge er umfafst, um so zahlreichere Möglichkeiten bieten sich demgemäfs, denselben je nach den verschiedenen Nuancen der Rede aufs mannigfaltigste zu variieren und zu versinnlichen. So wird der Begriff der Vielheit veranschaulicht durch die Menge des Sandes, der Wellen des Meeres, der Sterne am Himmel, der 1) So P. Martin, Studien auf dem Gebiete des griechischen Sprichworts (Pgr. Plauen i. V. 1889) S. 11 f. Was hier M. sagt: 'Der Reichtum des Midas, die Arbeit des Sisyphus, der Fluch des Oedipus sind sprichwörtlich geworden, aber keine Sprichwörter' ist also m. E. nicht stichhaltig, hat aber seine Berechtigung, wenn man es z. B. anwendet auf das üppige und ausgelassene Leben in Alexandrien oder Kanopus, oder auf den Reichtum der Libertinen in der Kaiserzeit u. a. Dieser war sprichwörtlich, wird aber nirgends vergleichsweise oder in festgemünzten Redewendungen verwertet. Hierher gehört auch die bei den Römern sprichwörtliche Kunst der Marser, Schlangen zu beschwören (Pompon. 118 Ribb. Hor. epod. 5, 76. 17, 28. Gell. 16, 11). |