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besondere Veränderungen in Hinsicht ihrer einzelnen Theile. Die Wurzel ist in der Regel stark und gross, wenn es dem Boden nicht gar zu sehr an nährenden Bestandtheilen fehlt, deren Uebergang in die Säftemasse der Wurzel durch den höhern Standort nicht gehindert werden kann; die Blüthen sind vollständig in Grösse und jeglicher Beschaffenheit; sie prangen sogar an den s. g. Alpenpflanzen mit ungewöhnlicher Fülle und Farbe und wenn man ein Gewächs bis zu den äussersten Regionen seines Fortkommens auf grossen Höhen verfolgt so wird man dort die Blüthen verhältnissmässig nur wenig verkleinert finden, niemals verkrüppelt und eher gedrängter und reicher als gewöhnlich und selbst ihre fruchtbringende Kraft trotzt den Einflüssen der höhern Region, denn das Hauptgeschäft der Blüthenblätter besteht in der Aushauchung luft- und dunstartiger Bestandtheile, welche durch die Verdünnung der freien Atmosphäre eher noch befördert als geschmälert werden muss. → Die Blätter dagegeù, die Haut, die den Stengel umkleidet und alles Grüne an den Pflanzen verkümmert mit der Erhebung des Standorts und es ist auffallend zu sehen, wie diese Theile, welche doch überall der Kälte viel stärker zu wiederstehen vermögen, als die Blüthen, auf hohen Standorten stets einer Schmäterung ihres Lebens processes unterliegen. An Gräsern und allen schmalblättrigen Pflanzen sieht man dies weniger, aber höchst auffallend ist es an den andern, deren Blätter, je weiter hinauf, desto kleiner werden, ja zuletzt selbst nicht mehr ihre natürliche Form behalten, ihr reines bestimmtes Grün gegen ein unbestimmtes lichtes Gelb vertauschen und das Ansehen einer dünnen Membran erlangen, unverkennbare Wirkungen der verdünnten Atmosphäre, aus welcher die Blätter bestimmt sind Nahrungsstoffe aufzusaugen. Diese Veränderungen der Pflanzen durch die Höhe des Standortes habe ich zuerst bei der Bereisung des kaukasischen Hochgebirges wahrgenommen und ge

nauer beschrieben *), später aber auf den Alpen der Schweiz und Italiens **), auf den Pyrenaeen ***) und jetzt auch am Ararat auf die unzweidentigste Weise wiedergefunden, so zwar, dass manche Pflanzenart auf mehreren dieser Gebirge zugleich vorkommt und die vollständigste Uebereinstimmung zeigt, während sie mit denselben Pflanzen der niedern Regionen desselben Gebirges oft kaum noch so viel Aehnlichkeit hat, dass man sie sogleich für dieselbe Art erklären möchte. Besonders angenehm war es mir das merkwürdige Cerastium, welches ich am Kasu beg im Caucasus, selbst noch hoch über der äussersten Schneegränze mit so ganz eigenthümlichen Abweichungen des Banes fand, dieses Cerastium welches Herr Meyer auch auf den Höhen des Elbrus antraf, nun auch am Ararat als die höchste Pflanze wiederzufinden und zwar mit einer solchen Uebereinstim mung ihrer ganzen Beschaffenheit, dass wenn die Exemplare aus meinem Herbarium zusammengelegt würden, kein Merk maal aufzufinden wäre, um zu sagen, welches Exemplar dem Berge Noah's, welches dem des Prometheus angehört.

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In der nämlichen Region mit diesem Cerastium d. h. 12,000 bis 13,000 Fuss über der Meeresfläche fand ich auch Saxifraga muscoides mit zahlreichen Blüthen, die Blätter aber überaus klein, ganz gegen die Wurzel zusammengedrängt und membra. nös, während sie an den Exemplaren in geringerer Höhe sich schon mehr der gewöhnlichen Beschaffenheit näherten. Ein schönes Pflänzchen, eine liebliche Zierde jener rauhen Felsen gegend war Aster alpinus, hier wie auf der Höhe des Kasbegy die Blätter ganz klein, der Stengel kaum einen halben Zoll

*) S. Reise in die Krim und in den Kaukasus von M. Engelhardt und Parrot. Berl. 1815. 2. Theil. S. 85.

**) Fr. Parrot über das Rosa-Gebirge in Schweiggers Journal. 19. Bd. 4. Heft.

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***) Naturwissenschaftliche Abhandlungen aus Dorpat. 1. Bd. S. 257

hoch, aber die Blüthen ganz frisch, ziemlich gross und mit schönem violetten Blüthenstrahl. Mit ihm untermengt zeigten sich Draba incompta zum Theil in der Blüthe, zum Theil in reifen Saamen, so wie auch Arenaria recurva, dann der zierliche Aster pulchellus, dessen Blüthenkrone auf dem kurzen Stengel mit kleinen Blättern, der Region des starren Winters nahe, doch nichts von ihrer heitern schönen Lilafarbe verloren hatte. Sehr characteristisch zeigten sich auch die climatischen Einflüsse am Campanula Saxifraga, und genau so wie ich sie an der verwandten Campanula rupestris im Kaukasus und Campanula cespitosa in den Pyrenäen gefunden hatte. Eben so Pyrethrum caucasicum am Ararat, wie in den Pyrenäen Pyrethrum alpinum, ferner Tragopogon pusillum mit vollen kräftigen Blüthen und Saxifraga Hirculus, eben so wie auf den Höhen des Kaukasus drei andere Saxifragen vorkommen. An Astragalus mollis fand ich keine Blüthen mehr, aber sehr grosse Saamenkapseln, die sehr auffallend waren gegen die ganz klein zusammengezogenen gefiederten Blätter und auch eine Potentilla zeigte in diesen höhern Regionen des Ararat, wie Potentilla grandiflora im Kaukasus die dem Standorte eigenthümlichen Charactere. In etwas geringerer Höhe d. h. zwischen 10,000 und 12,000 Fuss über der Meeresfläche fand ich auf ähnliche Weise, doch schon minder auffallend verändert ausser den vorigen noch: Anthemis rigescens, hier den Stellvertreter von Anthemis montana auf den Gipfeln der Pyrenäen und von Anthemis Rudolphiana auf den Höhen des Kaukasus; ferner: Ziziphora media, Scorzonera coronopifolia, Veronica telephiifolia, Dianthus petraeus, Statice Echinus, Hedysarum caucasicum, Trifolium trichocephalum mit auffallend grossen violetten Blüthenknöpfen gegen die überaus kleinen Blätter; dann Pulsatilla albana 8, Centaurea pulcherrima, und Centaurea ochroleuca grade so wie ich sie auf dem kaukasischen Hochgebirge gefunden hatte. Von Sträuchern

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fand ich in den tiefern Regionen etwa 7000 bis 8000 Fuss über dem Meere nur zwei, nämlich Juniperus Oxycedrns und Cotoneaster uniflora mit reifen Früchten. Wo die Baumregetation am Ararat ihre obere Gränze hat, lässt sich nicht wohl bestimmen, da so bedeutende örtliche Hindernisse andrer Art als elimatische vorhanden sind, die am Ararat weit und breit um denselben dem Fortkommen von Bäumen entgegenstehen. Dass hochstämmige. Wallnussbäume, Apricosenbäume, Weiden (S. alba) and italiänische Pappeln, diese letzteren jedoch schon von kleinem Wuchse bei einer Höhe von 6000 F. über dem Meere noch sehr gut fortkommen können, wenn sie Dammerde and Feuchtigkeit finden, zeigt sich bei St. Jacob; und dass Birken, jedoch nicht mehr recht grade und hochstämmig bei 7800 Fuss Höhe vom Clima noch nicht völlig verdrängt werden, zeigt das Wäldchen am Fusse des kleinen Ararat; eine auffallende Uebereinstimmung übrigens mit der Birkengränze im Caucasus bei 6700 Fuss über dem Meere.".. An einer spätern Stelle werden die Botaniker auf ein gewiss für sie interessantes und reichhaltiges, aber noch gar nicht untersuchtes Land hingewiesen, welches der Verf. im Winter (December) besuchte, nämlich das an der östlichsten Seite des schwarzen Meeres gelegene Imereti und Mingreli.,, Mächtige Waldungen," sagt er, ,, von gigantischen Eichen, Buchen, Eschen und Wallnussbäumen, von Apfel-, Birn-, Kirschen-, Pflaumen- und Apricosenbäumen erfreuen auch noch entblättert das Auge des Wanderers, und tiefer im Gebirge, wo noch selten der Fuss eines Europäers und der eines Pflanzenkundigen noch niemals weilte, da findet man den hochstämmigen, auch im Winter grünenden Bux, die gleichfalls sehr üppig belanbte Planera Richardi, imeretinisch Dswelka genannt, deren Holz die Eigenschaft hat, an

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Die genaue botanische Bestimmung aller dieser Pf, verdanke ich der Güte des. Staatsraths Professor Ledebour..

9r Bd. Litterat,

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fangs weich und leicht bearbeitbar zu sein, an der Luft aber -dermaassen zu erhärten, dass man mit Mühe einen Nagel hineinschlägt und zwar in Stämmen von 23 F. Dicke, zugleich mit noch manchen andern wenig gekannten oder unbenutzten Schätzen der Vegetation. Einige Weidengattungen, eine hochstämmige Erle sieht man, auch im December noch mit vielen grünen Blättern" geziert, ganze Abhänge tragen ein recht fri-sches Grün, Rosensträucher haben junge Blättertriebe; Stechpalmen, Farrenkräuter, Lorbeer, Rhododendron stehen üppig belaubt und hin und wieder blüht Löwenzahn, Cyclamen, und eine gelbe Scabiosa. Ausserdem lebt in jenen Urwäldern eine Pflanzenwelt, die weniger selbstständig als jene der stärkern Stämme als Stütze bedarf und ihnen als Ersatz den Schmuck ihres grünen Laubes borgt, so der edle Ephen, der die stärksten Stämme unzertrennlich umschlingt und sein kräftiges Grün üppig treibt, frei von jeglichem Staube, der dies schöne Gewächs in unsern Stuben verunziert; so die Braunbeere und die grossblättrige Winde, so der weisse Mistel und manches Blattmoos. Besonders reich ist das Verästeln und Verweben der Winde, de ́ren Ranke von der Höhe eines Baumes, an dem sie emporstieg, im schönen Blätterschmucke einfach und schlank sich herablässt, oder vom Winde getrieben zu einem benachbarten Baume sich heraufschwingt und mit ihren Verzweigungen bald einen prachtvollen Feston, bald ein dichtes Gewebe als Vorhang oder Obdach erzeugt. Anziehender aber als alles dies, imposant in seiner Art, erscheint hier das kräftige Leben der Weinrebe; zwar entblättert, oft aber mit dem erborgten Grün des Epheu geschmückt und nur von der übrigen Baumwelt getragen, erscheint sie doch als die Königinn der Wälder von Imereti und Mingreli: ein Rebstock 36 Zoll im Durchmesser tritt aus dem Boden hervor, neigt sich zu dem nächsten hochstämmigen Banme, meistens einer Buche und macht ihn sich unterthan, indem er von Ast zu Ast in zahlreichen Verzweigungen, in wun

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