Page images
PDF
EPUB

lassen, so hat er sich dieser Aufgabe doch nicht ganz entzogen und ihr in einer Weise genügt, die ebensowohl seinem historischen Urteil wie seinem psychologischen Scharfblick Ehre macht. Die Biographien Cäsars und Scipios, die letztere namentlich in ihrer zweiten Bearbeitung, ragen in dieser Beziehung besonders hervor, aber auch die des Fabius, Marcellus, Claudius Nero und Livius, sowie die des Cato geben recht ansprechend gezeichnete Portraits und heben sich von den anderen vorteilhaft ab.

Diese Leistung Petrarcas ist um so anerkennenswerter, als er kein biographisches Muster vorfand, sondern die Form so zu sagen neu zu erfinden hatte. Denn aus dem römischen Altertum hatte er nur Sueton, die scriptores historiae Augustae und den Aurelius Victor als Verfasser von Biographien vor sich, Cornelius Nepos und Tacitus Agricola kannte er überhaupt noch nicht. Aber die Form der Suetonschen Biographien, die für das ganze Mittelalter die Norm abgegeben hat, nach der Biographien gestaltet wurden, kotten mit ihrem unter bestimmte, rein äusserliche Rubriken untergebrachtem Material von Thatsachen und gleichgültigem Detail') einem Manne von Petrarcas Urteil und Geschmack kein Muster bieten, die scriptores historiae Augustae und Aurelius Victor noch viel weniger; er hat die Form des Sueton geflissentlich ignoriert und sich eine neue geschaffen, die hoch über der des Sueton steht.

Einer Eigentümlichkeit der Petrarcaschen Biographien muss hier noch gedacht werden: ihrer moralisierenden Tendenz. Petrarca bewegt sich durchaus auf dem Boden antiker Anschauung, wenn er der Geschichtschreibung die Aufgabe zuschreibt, zu lehren, was man thun und was man meiden

1) Wie Petrarca über Suetonsches Detail dachte, ersieht man aus der älteren Vorrede, wo er sich u. a. so äussert: Nolhac, not. p. 113: Quid nosse attinet quos servos aut canes vir illustris habuerit, quae iumenta, quas paenulas, quae servorum nomina, quod coniugium, artificium peculiumve, quibus cibis uti solitus, quo vehiculo, quibus phaleris, quo denique salsamento, quo genere leguminis delectatus sit. Haec et his similia quisquis nosse desideras, apud alios quaere, quibus non tam clara vel magna quam multa dicere propositum est.

solle 1), einer Anschauung, von der auch die Biographien Plutarchs beherrscht sind. Aber diese Tendenz beschränkt sich auf gelegentliche, kurz gehaltene Ermahnungen 2) oder Bemerkungen, z. B. über die Bestechlichkeit seiner Zeit, "), über den Neid, der jede Grösse verfolge 1), über zu grosses Vertrauen auf das Glück 5) und ähnliches. Sieht man von der Biographie Alexanders ab, so drängt sich diese Tendenz eigentlich nirgends auf und wird dem Leser niemals zur Last.

Ebenso wenig tritt sein christlicher Standpunkt irgendwie aufdringlich hervor; nur einmal 6) wird er etwas ausführlicher, wo er den Glauben an Auspicien, dem er auch so berühmte und bedeutende Männer verfallen sieht, in seiner Weise erklärt. Diese Erörterung ist für Petrarcas religiöse Anschauungen bezeichnend genug, um hier ihren Platz zu finden. Die Dämonen, meint er, hatten bei solchen Männern, die mit der christlichen Religion unbekannt waren, ein freieres Spiel; wenn diese nämlich, was bei ihrer natürlichen Begabung, und reicn Erfahrung erklärlich ist, irgend ein Ereignis im Geiste voraussehen, so wissen die Dämonen, falls es glücklich abläuft, bei ihnen den Glauben zu erwecken, als sei der Erfolg ihrem Beistande zu verdanken; fällt es aber

1) praef. bei Nolhac, not. p. 113 hic enim ni fallor, fructuosus historici finis est, illa prosequi quae vel sectanda legentibus vel fugienda

sunt.

2) Z. B. in der vita des Marcellus p. 294 R. Sic Salapia ad Romanos rediit, exemplum posteris ne ab honestis principiis facile desistant, quamvis prima fronte difficilia videantur; in der vita des Cäsar 1, 5 Schneider Haec sane inimiciora (die Gefahren, in die Cäsar durch Sullas Verfolgungen geriet) viri huius his fortasse profuerint, qui laboriosam adolescentiam degunt ne desperent vigilando ac nitendo ad altiora conscendere, dum virum principem tantis obsessum difficultatibus prima audiunt aetate.

3) In der vita des Pyrrhus p. 160 R. aus Anlass der Zurückweisung der Geschenke des Cineas: O hac in parte felix aevum et multum nostro dissimile, non tantum muneribus, sed rapinis paratissimo.

4) In der vita des Scipio bei Nolhac, not. p. 144 und öfter.
5) In der vita des Pyrrhus p. 166. Ite nunc,
mortales, fidite

prosperis.

6) In der vita Hannibals p. 440 R.

unglücklich aus, so wissen sie die Schuld auf die Vernachlässigung ihrer Warnungen und die Unterlassung von Opfern zu schieben, um die armen Seelen zu grösserer Folgsamkeit gegen sie zu bringen. Und Gott lässt dies zu und straft damit die Verirrungen jener Männer, welche statt seiner die heidnischen Dämonen anbeten. Petrarca selbst sieht in derartigen Erörterungen eine Abschweifung 1) und beschränkt sich daher sonst auf kurze Ausrufe oder Bemerkungen, um seinen Gegensatz zum Heidentum zu markieren; er spricht sein Bedauern aus, dass seine Helden nicht den wahren Gott gekannt und ihm die Ehre gegeben 2); er korrigiert die heidnische Ausdrucksweise von Göttern und fatum durch die christliche ), macht wohl auch eine ironische Bemerkung, wie wenn er den Bericht von der Auffahrt des Romulus in den Himmel mit den Worten begleitet1): ein grosser Sprung für einen Menschen, der Waffen getragen hatte, mit Sünde beladen und im Blut gewatet war und vom wahren Gott so wenig wusste wie vom Wege, der zum Himmel führt. Aber sein christlicher Standpunkt verleitet ihn nie zu einem unbilligen Urteil

1) Er bricht die Erörterung ab mit den Worten: Sed redeo ad primum inceptum p. 440.

2) In der vita des Marcellus p. 306 R. bei Gelegenheit der Einweihung des Tempels der Virtus und des Honos: O felix, si non Honori et Virtuti, sed honoris et virtutis auctori vovisset et reddidisset.

in der vita des Claudius Nero und Livius bei Erwähnung eines Dankfestes p. 248 R.: O gens caeca, vincendi gnara, sed cuius victoria donum esset, ignorans.

3) Wenn es bei Livius 1, 18, 4 heisst, dass Numa seine Weisheit mehr seiner eigenen Begabung und der disciplina tetrica ac tristi veterum Sabinorum als irgend einem fremden Lehrer wie Pythagoras verdankt habe, so korrigiert dies Petrarca (Numa p. 36 R.) dahin, dass er sagt: ut certius loquar, illo inspirante, qui reges et philosophos doctos facit, regem hunc doctum adeo evasisse, quo etiam inspirante ille philosophus (Pythagoras) alibi quidem et aetate alia atque alio sciendi genere doctus fuit. Das fatum bei Florus 1, 22, 20, das den Hannibal nach der Schlacht bei Cannae von dem Marsch auf Rom abgelenkt habe, korrigiert er in Italiam miserata divinitas p. 448 R. und oft.

4) In der vita des Romulus p. 28 R. und ganz ähnlich äussert er sich über Cäsars Vergötterung in dessen vita 26, 38 Schneider.

und thut der Liebe und Bewunderung, die er für seine Helden fühlte, nicht den mindesten Eintrag.

Und diese warme Anteilnahme an den grossen Männern Roms ist es, die seinen Lebensbildern noch einen besonderen Reiz verleiht; er liebt und bewundert sie, nicht blos, weil alles Grosse Bewunderung verdient, sondern weil sie Fleisch von seinem Fleische, weil sie die grossen Männer seines eigenen Volkes sind. So hat er sich denn mit Liebe in ihr Wesen versenkt und zu ihnen in persönliches Verhältnis gesetzt, dem er in mannigfachen Formen Ausdruck giebt. Als er z. B. in dem Leben des Marcellus, des Eroberers von Syrakus, an jene Stelle gekommen war, wo er von dem Rekognoszierungsritt zu berichten hatte, auf dem Marcellus seinen Tod fand, wird er sichtlich erregt und ruft ihm zu: Heu, vir magne, quo vis ire? Hattest du denn keine Kundschafter in deinem Heere? und als er weiterhin erzählt, dass ihm nnr wenig über tausend Mann folgten, ruft er aus: Ach warum folgten denn nicht alle Römer? und nur mit Schmerz berichtet er, dass bei dem Angriff der Punier die den Marcellus begleitenden Etrusker, Petrarcas eigene Landsleute, mit der Flucht den Anfang machten 1).

[ocr errors]

Von Fabius Cunctator sagt er 2): „Ich würde ihn einen heiligen Mann nennen, wenn ich dies einem Heiden gegenüber könnte, wenn mich nicht jener Ceremoniendienst, sein Eifer für Gelübde, Auspicien u. dergl. daran hinderte"; indessen versöhnt ihn mit dieser Schwäche das Wort des Fabius, das er aus Ciceros Cato Maior kennt: unter den besten Auspicien geschieht, was zum Wohle des Staates geschieht; was man dagegen wider die Interessen des Staates vorschlägt, ist wider die Auspicien", ein Gedanke, der ihm in seinem lateinischen Homer aus Hektors Munde entgegengetreten war und ihn zu der Randbemerkung veranlasst hatte: vir fortis spernit auguria 3). Fabius scheint ihm hiernach würdig, den

1) In der vita des Marcellus p. 310 R.
2) In der vita des Fabius p. 178 R.
3) Nolhac, Pétr. et l'hum, p. 362.

einen Gott zu ehren und ihm seine Gelübde darzubringen. Aber es macht ihm Schmerz, dass er seinem Helden doch etwas vorzuwerfen hat: die Opposition gegen seinen geliebten Scipio und die Herabsetzung seines Ruhmes. Es sei zwar einem jeden Staatsmann erlaubt, seine entgegengesetzte Meinung zur Geltung zu bringen, und gegen eine derartige Opposition sei nichts einzuwenden. „Aber was soll ich von Aeusserungen denken, wie der, dass Scipio dazu geschaffen gewesen sei, nach ausländischer Könige Art die militärische Disziplin zu verderben, der Zügellosigkeit der Soldaten Vorschub zu leisten und dann mit Härte gegen sie einzuschreiten; oder von Aeusserungen, durch die er Scipios Siege in Spanien herabsetzt und ihm den Vorwurf der Leichtfertigkeit ins Gesicht schleudert. Wenn er dies in der Absicht that, des Scipio jugendliche Kühnheit zu zügeln, zu der er kein Vertrauen hatte, so kann ich ihn entschuldigen; wenn er es aber that, weil er fürchtete, den Ruhm seiner Thaten durch das aufstrebende Genie des jugendlichen Helden in Schatten gestellt zu sehen, so kann dies, soweit ich denke, keine Entschuldigung finden".

Die Sammlung und Anordnung des bei vielen Schriftstellern zerstreuten Materials, die Petrarca als sein einziges Verdienst in Anspruch nimmt, ist, wenn man gerecht sein will, bei dem damaligen Zustand des Wissens an sich schon ein bedeutendes Verdienst. Schwerlich fanden sich bei irgend einem anderen Mann in jener Zeit auch nur die äusseren Vorbedingungen für eine derartige Arbeit in dem Maasse erfüllt, wie dies bei Petrarca der Fall war. Er hatte das wissenschaftliche Rüstzeug an Büchern, das sonst an allen möglichen Orten zerstreut war, in einer für damalige Verhältnisse ungewöhnlich reichhaltigen Bibliothek zu seiner unmittelbaren Verfügung, und besass alle die Eigenschaften, welche erforderlich waren, um der zahlreichen Hindernisse Herr zu werden, die schon der Mangel an Vorarbeiten und Hilfsmitteln aller Art einem solchen Unternehmen entgegensetzten. Was man heute zu Tage mit Hilfe von Inhaltsangaben und Registern ohne Schwierigkeit herausfindet, das musste er sich in sorg

« PreviousContinue »