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welche darauf hinauslaufen, dass Cäsar einen allgemeinen Umsturz geplant, weil er die Erwartungen des Volkes, die er erregt, nicht habe erfüllen können, dass er sich nach Ablauf des gallischen Kommandos einer Verantwortung habe entziehen wollen, dass er sich in die Stellung eines Privatmannes nicht mehr habe fügen können, alle diese Aeusserungen hält Petrarca nicht für glaubwürdig, weil aus ihnen der offenbare Hass und die Absicht spräche, Cäsar zu verunglimpfen.

Diesen Stimmen nun hält er nicht etwa Cäsars Commentarien, sondern unbefangere Zeugen: einige Briefe Ciceros, Cäsars und seiner Freunde Oppius und Balbus entgegen, die sich in der Sammlung von Ciceros Briefen an Atticus finden, die alle Cäsars Friedensliebe bekundeten. Allerdings hätte Cäsar auch lügen können, aber die Friedensvorschläge seien thatsächlich von ihm gemacht und von seinen Gegnern zurückgewiesen worden. Was kommt es darauf an, fragt er weiterhin in diesem Zusammenhang, was Pompejus und Cicero von Cäsar denken; wichtiger ist es zu erfahren, was Cicero von Pompejus denkt, den er doch so sehr liebte, dass er ihm in den von ihm so verurteilten Bürgerkrieg folgte. Er citiert nun aus den Briefen an Atticus Stellen, in denen Cicero es offen auspricht, dass es Pompejus gar nicht auf das Wohl der Republik abgesehen habe, sondern ganz wie Cäsar auf eine persönliche Machtstellung à la Sulla, und wenn er sich Pompejus anschliesse, so thue er es nur aus Dankbarkeit und nicht um der Gerechtigkeit der Sache willen. Derartige Aeusserungen, fährt Petrarca fort, giebt es bei Cicero sehr viele, so dass über ihre Glaubwürdigkeit gar kein Zweifel bestehen kann. Aber ich habe hier nur einige wenige herausgehoben und aus versteckteren Stellen ausgegraben und gern hierher gesetzt, auf dass man sehe, dass die Schuld auf beiden Seiten nicht so ungleich ist, wie man glaubt, und durch einen glaubwürdigen Zeugen bei beiden die Absicht, sich eine Herrscherstellung zu erringen, erhärtet werde.

Wenn Petrarca also auf Grund dieser Quellenkritik zu der Ueberzeugung gekommen ist, dass Cäsar sich im Stande der Notwehr befunden habe, als er den Bürgerkrieg begann,

so ist es natürlich, dass er sein Vorgehen entschuldbar, wenn auch nicht gerechtfertigt findet; denn die Waffen gegen sein Vaterland zu kehren, könne nimmer gerechtfertigt werden; Cäsar habe nicht die Thersitesnatur gehabt, im Dunkel zu verschwinden und die Machthaber anzukläffen, aber leider auch nicht den Hochsinn des Scipio Africanus, der lieber seinen Neidern und Gegnern das Feld geräumt, als einen Bürgerkrieg von unabsehbaren Folgen hätte verantworten wollen. Es liege nun einmal in der menschlichen Natur, dass wer mehr leiste als die anderen, auch grössere Ansprüche mache; kurz Petrarca spricht auch dem Genie das Recht zu, sich geltend zu machen.

Hieraus ergiebt sich, dass er auch über die Ermordung Cäsars ganz anders urteilt als seine Quellen. Die Ursachen sieht er lediglich im Neide seiner Gegner, ihre politischen Gründe hält er für vorgeschützt. Aus der langen Liste von Worten und Handlungen Cäsars, die das republikanische Gefühl verletzten, wie er sie bei Sueton aufgezeichnet fand, hebt er diejenigen heraus, die ihm die erheblichsten zu sein scheinen, um sie näher zu beleuchten.

Z. B. die Gegner werfen ihm Uebermut vor; dieser aber, sagt Petrarca, pflegt mit Grausamkeit verbunden zu sein die ihm gänzlich fremd war. Die Abweichung von dem Herkommen in Bekleidung und Verteilung der Aemter, die Uebertreibung in den Ehren, die er sich hätte erweisen lassen, stellt er nicht in Abrede, allein er meint, dieselben Ehren hätten später viele erhalten, die tief unter ihm standen, sie seien ihm z. T., ohne dass er sie begehrt, einige sogar gegen seinen Willen zuerkannt, und hätten ihm übrigens gebührt. Wenn ihm seine Gegner aber das besonders verdacht hätten, dass er sein Bild unter die Götterbilder habe stellen lassen, so sei das wahrhaft lächerlich. Denn was sind das für Götter? Ein Jupiter oder Neptun, die nicht Cäsars Fuss wert waren. Denn es sind lasterhafte Menschen gewesen, oder, wie alle heidnischen Götter: Dämonen. Und wenn er Eingeweideschau u. dergl. missachtet, verdient das nicht gerade das grösste

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Lob? Und nun seine unsühnbaren Frevel 1), dass er vor dem Senat nicht aufstand, als derselbe sich ihm nahte, um seine Ehrendekrete zu überreichen; wahrhaftig ein schwerer Vorwurf, während heute zu Tage Bauernjungen vor Königen und Fürsten nicht aufstehen. Der Senat war darüber um so mehr empört, weil Cäsar selbst es sehr übel genommen hatte, dass bei seinem Triumphzug der Tribun Pontius Aquila nicht vor ihm aufgestanden war: eine schöne Gleichheit, die hier beansprucht wird; was hat denn ein namenloser Tribun mit dem triumphierenden Cäsar gemein? Das sind die Gründe, so schliesst Petrarca diese Erörterungen, die ihn des Todes schuldig, oder wie seine Gegner sagen, die seinen Tod als recht- und gesetzmässig erscheinen lassen.

Man sieht, dass Petrarca in dieser Biographie schon einen Schritt weiter in der Kritik gethan, insofern er die Frage aufgeworfen hat, ob die Berichterstatter die Wahrheit sagen wollten oder konnten, und auf Grund einer sorgfältigen Erwägung zu einem Urteil gelangt, das dem seiner Berichterstatter entgegengesetzt ist; eine fruchtbare Anregung, die damit der wissenschaftlichen Forschung gegeben war.

Die vorstehende Erörterung wird genügen, darzuthun, dass dieses biographische Werk Petrarcas, das die Arbeiten des Zeitalters der Renaissance über die römische Geschichte eröffnet, doch erheblich mehr ist, als eine blosse historische Kompilation; in Wahrheit ist es ein mit künstlerischem Sinn und wissenschaftlichem Geist verfasstes Werk, das für seine Zeit hervorragend war und in der Geschichte der humanistischen Studien einen ehrenvollen Platz verdient.

1) Petrarca las in seinem Text des Suet. Caes. 78 inexpiabilis statt des jetzt recipierten exitiabilis.

Anhang.

Verhalten Petrarcas zur historischen Tradition im Leben des

Pyrrhus.

Im Leben des Pyrrhus weicht Petrarca in zwei Punkten von der historischen Tradition ab, in der Zahl der kriegerischen Zusammenstösse, die er zwischen Pyrrhus und den Römern stattfinden lässt, und in dem Zeitpunkt, in den er die Friedensverhandlungen mit Cineas versetzt.

Was den ersten Punkt betrifft, so berichten sämtliche Petrarca vorliegende Quellen Livius Periocha 13, 14, Justin 18, 1, 2 und 23, 3, Florus 1, 18, Orosius 4, 1, 2, Eutropius 2, 11—14, wozu für Einzelheiten noch Aurelius Victor 35 in Betracht kommt, von 3 Schlachten;

1) der bei Heraclea, in der Laevinus geschlagen wird;

2) von einer zweiten, die bei Justin auf kein bestimmtes Lokal fixiert, zeitlich aber nicht lange nach der ersten angesetzt wird; Florus lässt sie bei Asculum Curio Fabricioque consulibus geschlagen sein; Orosius giebt nur im allgemeinen Apulien als Kriegstheater an, bezeichnet als Heerführer ohne Namensnennung consules Romani und lässt den Legaten Fabricius dabei verwundet werden; Eutropius nennt kein Lokal und als Consuln P. Sulpicius und Decius Mus; die Periocha des Livius nennt weder Lokal noch römische Heerführer.

Dem Erfolge nach wird diese zweite Schlacht bei Justin als gleich unglücklich für die Römer wie die erste bezeichnet; aus dem Bericht des Florus gewinnt man den Eindruck, als sei die Schlacht eigentlich siegreich für die Römer gewesen, die nur die Nacht verhindert habe, die Niederlage des Pyrrhus

zu einer vollständigen zu machen; gleichwohl sagt er späterhin, der Sieg sei für beide Teile par, also unentschieden gewesen; Orosius sagt: clades belli ad utrosque, victoria ad Romanos concessit und dementsprechend beziffert er die Verluste des Pyrrhus auf 20000, die der Römer auf 5000 Mann; Eutropius giebt die gleichen Verlustziffern an, ohne im übrigen von einem Sieg oder einer Niederlage zu reden, man kann aber hiernach nur einen Erfolg für die Römer herauslesen; Aurelius Victor lässt die Römer unter Curius und Fabricius siegen; die Periocha des Livius sagt, es sei dubio eventu gekämpft.

3) Die dritte Schlacht setzen sämtliche Quellen in die Zeit nach Pyrrhus Rückkehr aus Sicilien; Justin thut es ohne Nennung eines Lokals und römischen Heerführers, er spricht nur von einer foeda adversus Romanos pugna; Florus und Orosius geben als Kampfplatz Lucanien und zwar die campi Arusini an; der erstere lässt sie unter denselben Consuln wie früher geschlagen sein, während Orosius Heerführer überhaupt nicht nennt; Eutropius dagegen giebt kein Lokal an und bezeichnet als Heerführer Curius Dentatus und Cornelius Lentulus; die Periocha des Livius verfährt ebenso, nur dass sie den Curius Dentatus allein als Heerführer nennt.

Bei diesem Wirrwarr von Nachrichten ist nun Petrarca folgendermassen verfahren. Da er die zweite Schlacht bei Justin als entschieden unglücklich für die Römer bezeichnet fand, in den anderen Quellen aber als unentschieden oder siegreich für die Römer, so erkannte er nicht die Identität dieser Schlacht mit der bei Asculum, sondern hielt sie für eine von dieser verschiedene und nahm an, dass sie von den anderen Schriftstellern übergangen sei; er folgte also dem Bericht des Justin über diese zwei Schlachten und fügte nun die bei Asculum als eine dritte hinzu; auf diese Weise kam er denn dazu, die Schlacht in den campi Arusini als eine vierte zu rechnen.

Ueber den Zeitpunkt, in den die Friedensverhandlungen mit Cineas fallen, fand er gleichfalls verschiedene Angaben vor; die Periocha des Livius, Florus und Eutropius setzen sie

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